wie ich lernte die mechanik zu lieben - part III

Wer will schon das Meer teilen, wenn man die eigene Tastatur teilen kann?

Geht es hier noch tiefer?

Ruhig wurde es, nachdem ich für mich beschlossen hatte, dass ich mein Board gefunden bzw. finalisiert hatte. Aber ich erinnert mich an diesen einen Satz “Wenn du die ErgoDox hast, machst du aber ein neues Rabbit Hole auf”. Auf gar keinen Fall wollte ich noch tiefer in diesen Strudel eintauchen. Es hatte mich doch eigentlich bereits zu viel Geld und zu viel Zeit gekostet? Und doch wurde mir genau von selbiger Person sozusagen das Messer in das Konto gerammt. “Wenn meine neue (ErgoDox) fertig (ist) schick ich dir die mal hoch” schrieb er und ich dachte mir nichts anderes als “Nur einen kleinen Blick riskieren. Es nicht zumindest zu versuchen, um ggf. mal meine Schultern zu entlasten - es gibt genug Gründe. ich muss es wenigstens ausprobieren. Aber in das Rabbit Hole darf ich nicht fallen…”. Und eh ich mich versah bestellte ich ein simples Kit im DSA Profil und eine selbstgebaute ErgoDox wurde mir als Leihgabe zugeschickt. Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe kann ich mich selbst nur noch fragen…

Was habe ich nur getan?

Ich blieb meiner Linie treu - was natürlich nichts anderes bedeutete, als mich immer weiter mit dem Thema zu beschäftigen, diesmal nur mit dem Fokus auf auf den Bereich Ergonomie. Die Abzweigungen in diesem Strudel aus Möglichkeiten nahmen ungeahnte Ausmaße an. Wo ich bisher nur die Zehenspitzen in das Wasser gehalten habe, griff ich nun mit dem ganzen Arm hinein - Ergonomische Keycapprofile, Ergonomische Tastaturaufbauten, Splay, Stagger, Ortho und verschiedenes Tenting bis hin zu dem berühmten “QWERTY is bad”. Ich war wieder im Hyperfixation-Mode und habe verschlungen was nur ging, gleich ob Blogpost, YouTube-Video oder Podcast. Und ich legte mir einen Plan zurecht. Wenn ich mir hier nun schon etwas vollkommen Neues vorsetze, ein Column-Staggered Split-Board mit zwei tented “Achsen”, dann kann ich doch auch die letzte Meile gehen, oder? Warum sollte ich dann nicht gleich All-In gehen? Wenn ich mich eh umstellen muss, warum dann nicht auch direkt mal ein neues Layout versuchen? Das QWERTY nicht das beste Profil ist wissen wir ja alle (oder etwa nicht?), auch wenn es zu den Gründen, wie es dazu kam, unterschiedlichste Behauptungen gibt. Also ließ ich das seltsame Keyboard, das bereits angekommen war, erstmal links liegen und las mich in das Thema Layouts ein.

Buchstabensalat

Dvorak, Koi, Workman, Colemak - und das sind nur die bekanntesten Layouts neben den Platzhirschen QWERTY/QWERTZ. Also auch hier verschiedene YT-Videos geschaut und Beiträge im weiten Netz gelesen, um zu entscheiden, welches das richtige Layout ist, um QWERTY abzulösen. Meine Anforderungen waren, dass es bestenfalls leicht zu erlernen ist, sowohl für deutsch- als auch englischsprachige Texte geeignet ist und auf ortho-ähnlichen Boards, in diesem Fall Columnar-Staggered, gut zu nutzen ist. Meine Wahl fiel auf Colemak in der Variante Colemak-DH. Es hat einerseits geringfügige Ähnlichkeit mit QWERTY, was den Umstieg laut verschiedener Quellen erleichtern soll und es hat außerdem gute ergonomische Eigenschaften. Ich verzichte jetzt auf Dinge wie SFBs, LSBs, SBs, Rolls, SFSs, usw. genauer einzugehen. Nur soviel, dass es sich hierbei um Begriffe handelt, mit dessen Werten man messen kann, wie ergonomisch ein Layout ist. Auch Colemak(-DH) hat hier nicht die besten Werte, aber dennoch war es das Richtige für mich.

Aller Anfang ist langsam

Und so begann ich das Layout auf der ErgoDox Taste für Taste abzubilden. Was bei den Alphas (der Begriff für Buchstaben) noch am einfachsten zu platzieren war und sich bei den Zahlen und den wichtigsten Sonderzeichen von allein erklärte, wurde bei spezifischeren Sonderzeichen, den Modifiern (Shift, Control, Alt, usw.) und den Positionkeys (Home, End, Arrow-Keys, Page Up/Down, etc.) deutlich schwieriger. Wo legt man die denn hin, wenn nicht dort, wo sie sonst auch sind? Zum Glück gibt es hier Beispiele vom ErgoDox-Hersteller ZSA. Und so hatte ich das Layout auch auf dieses Tastatur schnell belegt. Das Vorhaben “Tippen mit einer ErgoDox” nahm nun langsam Formen an. Ja, langsam, das war auf jeden Fall Programm. Ich versuchte über Keybr und Monkeytype online Touch-Typing (10 Finger blind tippen) auf Colemak-DH zu lernen. Ich hatte zwar in der Schule “Unterricht” um blindes Tippen zu lernen, das hat jedoch nie so recht geklappt, da ich mir bereits in jungen Jahren eine Art 6-8 Finger System angeeignet habe. Muscle-Memory siegte immer und so habe ich es nie geschafft (oder mir auch nie genug Mühe gegeben) 10 Finger Tippen zu lernen. Vielleicht sollte es nun anders werden. Ich tippte, lernte die Platzierungen der Tasten/Buchstaben, versuchte mir alles einzuprägen und zu merken.
Spoiler: Ich habe mir inzwischen alle Tasten gemerkt, aber so richtig schnell bin ich bis heute nicht. Dennoch, die ca. 50 WPM, die ich aktuell erreiche, reichen mir aus.

Nichts ist in Stein gemeißelt

Ich machte Fortschritte, jedoch fand ich auch immer mehr Gefallen an der neuen Art des Tippens. Dieses Layout der Tasten (Columnar Staggered), diese Anordnung (Colemak-DH), diese Entspannung in den Schultern (Split-Keyboard) und in den Handgelenken (weniger Tasten) - es dauerte nicht lange und ich war verloren. Alle Vorsätze nicht zu stürzen, mich nicht zu tief einzugraben, mich nicht zu verlieren - es war wie weggewischt. Nach nur wenigen Wochen schaute ich mich nach meiner eigenen ErgoDox um. Und schneller als ich tippen konnte, wurde ich auch fündig. Über Mastodon konnte ich ein Exemplar gebraucht zu einem guten Preis bekommen.
Sie kam an, wurde von mir mit Switches und Keycaps bestückt, das Layout geladen und losgetippt. Meine RK84Pro lag seitdem im Regal und wurde, die Wiederbestückung mit den originalen Switches und Keycaps außer Acht gelassen, bis heute nicht mehr angefasst, geschweige denn genutzt. Viel zu klobig, unbequem, unpraktisch war dieses “Monstrum” nun. Stattdessen feilte ich Stück für Stück an meiner Keymap, platzierte Keys immer wieder neu und optimierte die Position. Mal Backspace an der Seite, mal im Daumencluster, Space und Enter erst auf einer Seite, dann getrennt - weiter und weiter verfeinerte ich die Tastenanordnung. Ich hatte “Meine Tastatur” gefunden und musste nur noch “Meine Keymap” entwickeln und perfektionieren. Dann sollte ich doch endlich an meinem Ziel angekommen sein?

Weniger ist mehr

Und plötzlich war da die eine, die erste Taste, die ohne Funktion blieb. Wo man vorher regulär gut 100 Tasten hatte, waren da nun gut 70 und die mussten nicht mehr alle belegt werden. Stattdessen legte ich immer mehr Funktionen auf Layer, so dass ich immer weniger Tasten physisch nutzen musste. Vielleicht wird sich die/der Eine oder Andere nun fragen, was Layer sind? Eigentlich gibt es auf jeder Tastatur bereits Layer, nur sind diese sehr rudimentär und festgefahren. Wenn man auf einem regulären Keyboard die Shift-Taste hält, aktiviert man dadurch einen Layer, durch den man zB alle Alphas in der Großschreibung ausführt oder eben Sonderzeichen, wo ansonsten Zahlen sind. In meinem Fall belegte ich damit aber auch Sonderzeichen, Arrow-Keys, Umlaute, und weitere Funktionen, so dass meine Hände sich noch weniger bewegen mussten.
Weitere Optimierungen wie Home Row Mods folgten direkt. Bei Home Row Mods (HMR) werden Tasten der Home Row (die Ruheposition der Finger) so belegt, dass sie bei einem Tap den gewünschten Buchstaben auslösen, bei einem Halten einen Modifikator wie Shift, Control, Alt oder Gui aktivieren. Dies hat weitere physische Tasten unnötig werden lassen. Und so kam es, wie es kommen musste - die ErgoDox wurde mir zu groß.

Es wurden weniger, dafür umso mehr

Ich fing an mich nach anderen, kleineren Keyboards umzuschauen und man mag sich nicht vorstellen, wie groß die Auswahl ist. Es sollten weniger Tasten werden, jedoch war noch nicht so klar, wie viele weniger eigentlich die richtige Anzahl ist. Schließlich optimierte ich konstant an meiner Keymap, suchte nach Verbesserungen, Wege die Belegung ergonomischer zu gestalten, weniger Tasten nuzten zu müssen. Wie sollte sie aufgebaut sein? Column-Stagger war klar, kein Row-Stagger auch, aber da gab es noch so viele andere Optionen. Splay oder Nay (Pun intended), wieviele Tasten im Daumencluster und wie angeordnet, wieviele Spalten, wieviele Reihen und so vieles mehr. Ich könnte immer weiter aufzählen, doch es ist wohl klar, was ich damit ausdrücken will.
Die Auswahl an Keyboards ist mannigfaltig, die Unterschiede gering bis umfangreich und so wurden es zwar immer weniger Tasten, dafür immer mehr Boards, die zuhause Einzug hielten. Ich war auf einer Mission - das für mich perfekte Keyboard zu finden. Spoiler: Es gibt kein perfektes Keyboard, aber man kann sehr nah an die Perfektion kommen

It’s getting Hot in here

Wenn man sich nun die Preise für Keyboards auf dem Markt anschaut, allen voran fertige Builds wie die bereits erwähnte ErgoDox oder deren Geschwister Moonlander und Voyager, kann einem schnell schwindlig werden - mehrere 100€ werden für so ein Board schnell fällig. Glück für mich, dass ich mich für Open Source Boards entschieden hatte. Für so ein Keyboard kann man günstig das PCB bei einem Händler kaufen oder sogar bei entsprechenden Firmen produzieren lassen. Dazu dann noch Dioden, Controller und ein paar weitere Bauteile und mittels einem Lötkolben sowie ausreichend Lötzinn und Flussmittel liegt das Board erst in Einzelteilen und wenig später fertig gebaut vor einem. Zumindest in der Theorie, wenn man löten kann. Ich hab zwei linke Hände, habe löten nie gelernt und bin auch generell eigentlich sehr schlecht, wenn es um das Thema Elektronik geht. Also startete ich ein weiteres Mal den Hyperfixation-Mode, schaute Tutorials auf YouTube und kriege inzwischen das eine oder andere Board einigermaßen zusammen (würde mich aber immer noch über einen echten Workshop, spezialisiert auf Keyboards, freuen). Und so kam Board um Board, mal Split, mal Unibody, mal mit und mal ohne Splay, mal mehr oder weniger Stagger, aber immer mit weniger als 60 Keys, tendenziell sinkende Anzahl.

Es machte Klick und es war Liebe

Ich bin weiter auf der Suche nach dem perfekten Board, habe vieles versucht, habe Boards gefunden, die nahezu perfekt sind und ich immer wieder gern benutze. Gleichzeitig optimiere ich immer noch an meiner Keymap und habe erst heute morgen wieder eine neue Idee dazu gehabt. Ich plane hier im Blog wiederkehrend einen Einblick in meine Boards zu geben, so dass, auch wenn diese Serie hier nun endet, das Thema jedoch nicht enden wird. Vielleicht habe ich ja sogar Euch ein wenig neugierig gemacht, mal etwas anderes als das reguläre “Normie”-Board zu nutzen.

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