wie ich lernte die mechanik zu lieben - part II

Die ersten Schritte waren gemacht, aber wo sollte das alles noch hinführen?

Stein auf Stein, so ist sie mein

Das neue Keyboard war da, eine Royal Kludge RK84 Pro, die sich für mich leider nicht so schön anfühlte wie ich es mir gewünscht hatte. Dennoch wollte ich nicht mehr zurück - nein, ich konnte nicht mehr zurück. Ich packte zwischendrin die MX Keys, die mir inzwischen ein paar Jahre hervorragende Dienste geleistet hatte, wieder aus und versuchte zu tippen, brach es aber auch genauso schnell wieder ab. Es fühlte sich falsch an, ich war irritiert von den Tastenwegen, von dem Geräusch, ich wollte es einfach nicht mehr. Also musste an der RK84 etwas getan werden und da sind die Möglichkeiten groß. Aber womit fängt man an?

Ein fesches Käppsche

Natürlich mit dem Offensichtlichem - den Keycaps. Wie schon erwähnt hatte ich bereits in der Vorbereitungsphase alle Tastenprofile studiert und mögliche Kandidaten evaluiert. Wichtig war für mich im ersten Schritt die Oberseite der Caps. Das Profil Cherry oder OEM hat eine von einer Seite zur anderen geschwungenen Oberseite. Man kann sich das wie eine Halfpipe vorstellen, bei der es auf beiden Seiten zur Lip hochgeht (das Spielen von Tony Hawks Pro Skater in der späten Jugend hat nicht nur zu tollen Ohrwürmern, sondern zu auch einem kleinen Fundus an Skaterbegriffen geführt, aber das nur am Rande). Meinen eher massiven Fingern missfällt dieses Gefühl. Ich bevorzuge da eher Bowls, so dass sich alle vier Seiten vertiefen und die Taste eher wie ein runder Miniaturpool anmutet. Seltsam, dass das ASA-Profil von Akko mir nicht zusagte, denn genau hier wäre ja dieser erste Anspruch bereits abgehakt. Aber trotzallem war innerhalb weniger Blicke klar, dass das nichts für mich ist. Zu einem späteren Zeitpunkt versuchte ich es zwar noch einmal, aber auch hier ohne Erfolg, so dass es wieder nur bei einem kurzen Test blieb.
Die Liste möglicher Bewerber für Germanys Next Top Keycap Profile powered by myself war aber noch nicht abgearbeitet und so landeten dank Kleinanzeigenportale innerhalb kürzester Zeit ein Set OSA White on Black von Keychron (Abbildung des OSA-Profils hinter dem Link des ASA-Profils) und ein Set KAT Black on White von KBDFans auf meinem Tisch bzw. auf meinen Switches. Auch die OSA mussten sich sehr schnell geschlagen geben, dafür schlug mein Herz innerhalb weniger Sekunden für KAT. Es fühlte sich richtig, zumindest für diesen Moment. Ok, man musste Abstriche im Aussehen machen, denn es war eher ein aus der Werbung bekanntes Dunkelweiß und auch der Font der Legends sagte mir eigentlich nicht so richtig zu. Aber ich hatte Spaß beim Tippen und so war ich zufrieden und hakte das Thema Keycaps ab - vorerst!

Lückenfüller

Das Keyboard war nicht das leiseste, ganz und gar nicht. Trotz dass der Körper aus massivem CNC gefrästem Aluminium bestand, hörte man die Luft oder besser gesagt den Hohlraum. Einfachste Lösung laut Youtube: Foam-mods. Und so versaute ich mir meinen Amazon-Algorithmus indem ich mir Moosgummi aus dem Handarbeitsbereich bestellte. Nach Ankunft selbigem, wurde er zurechtgeschnitten und innerhalb des Gehäuses ausgelegt - Schicht für Schicht. Sogar die Leertaste befüllte ich mit Moosgummi um ein dumpferes, tieferes Geräusch zu erhalten. Ich glaube in Fachkreisen nennt man das “Thock”, aber sicher bin ich mir da bis heute nicht. Jedenfalls erreichte ich mein Ziel, die Anschläge hörten sich ruhiger an, quietschten nicht mehr (kein echtes Quietschen, nur eben nicht mehr so hell). Sie machten ein befriedigenderes Geräusch und das war es ja auch, was ich erreichen wollte. Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt im Rahmen des Budgets. Eine neue Tastatur, verschiedene Keycapsets, sowas kann ins Geld gehen, zumindest wenn man solche Ausgaben vor knapp zwei Monaten eigentlich noch nicht erwartet hatte.
Wenn ich jedoch einmal Feuer gefangen habe, lässt es mich (leider) auch nicht so schnell wieder los. Noch dazu hatte ich zwei Teufelchen auf meinen Schultern bzw. in meinen Ohren, die mich mit neuen Ideen, Vorschlägen, Tipps und Entdeckungen tiefer in das Rabbit Hole ziehen wollten (Ihr wisst garantiert, dass ich Euch meine!). Dennoch konnte ich mich lange Zeit zusammenreißen und so wurde der Rest des Monats April nur mit der Vertiefung meines bisherigen Kenntnisstands sowie dem Verfeinern des vorhandenen Keyboards verbracht. Und so erfreute ich mich daran, ins Rabbit Hole geguckt zu haben und nun zufrieden mit meinem “Brett” bis zur Rente arbeiten zu können.
Wie dumm und naiv ich doch war.

Alles neu macht der Mai

Anfang Mai machte sich eine leichte Unzufriedenheit breit. Der erste Zauber des Tippens war verflogen und ich hörte die kalte Realität. Tacile Switches fühlen sich für mich großartig an, keine Frage, aber die Geräusche machten mich verrückt. Sind wir ehrlich, Clicky wie zB Cherry MX Blue sind natürlich im Bereich Geräuschkulisse den taktilen Pendants wie den MX Browns deutlich überlegen (oder unterlegen, je nachdem wie man es betrachtet), aber ich wünschte mir Ruhe. Also ging ich wieder in den “Informationsbeschaffungsmodus” und durchforstete das große, weite Netz nach taktilen, aber leisen Switches. Inzwischen hatte sich meine Bubble auf Twitter (ja, zu dem damaligen Zeitpunkt war ich dort noch aktiv, wer hätte denn ahnen können…) um ein paar Nerds aus dem Bereich Keyboards erweitert. Allen voran natürlich der Click! Clack! Hack! Podcast, dessen neuer treuer Hörer ich war, auch wenn ich mit den meisten Informationen und Begriffen immer noch erschlagen wurde. Aus eben dieser Bubble kam dann der Hinweis, dass ich mir doch mal Durock Koala und die Gazzew Boba U4 bzw. U4T “anhören” solle und so landete kurze Zeit darauf ein Switchtester mit einer Auswahl verschiedener Switches in meinem Briefkasten respektive meinem Schreibtisch.
Was ich hörte, bzw. nicht hörte, erstaunte mich und war nichts anderes als ein Auf und Ab der Gefühle. Die Auswahl belief sich auf Durock Koala in 62g und 67g, Boba U4 in 62g und 68g sowie U4T in 62g und 68g, C3Equalz x TKC Dragon Fruit, Durock Silent T1 Shrimp und Durock Lupine. Ja, letzterer war linear, aber ich hatte keinen weiteren Taktilen mehr zur Auswahl und ich musste mit vorhandenen Produkten auffüllen. Schlussendlich war dies jedoch irrelevant, ich war begeistert und überzeugt, ich hatte meinen Switch gefunden. Oder sollte ich besser sagen meine Switche? Ich konnte mich nicht entscheiden! Während fast alle beim ersten Klick von der Liste gestrichen wurden, blieben die Boba U4 und der Durock Shrimp im Rennen. Beide waren sowohl vom Gefühl als auch vom Geräusch gleich auf und so war es einfach die Verfügbarkeit, die bei mir schlussendlich dazu führte, dass ich mir eine Ladung Boba U4 mit 62g nach Hause bestellte.

Ich bin Old School - I love Retro

Dann konnte der Glückseligkeit mit meinem Hackbrett doch nichts mehr im Weg stehen, oder? Ich hätte es besser wissen müssen. Weiter oben sprach ich bereits die visuellen Schwierigkeiten, die ich mit dem Keycapset mit KAT-Profil hatte, an und wie man ja bekanntlich weiß, isst das Auge mit und mein Auge liebt nun einmal Retro. Ich hab ein Faible für Retro, sei es alte Spielekonsolen die in mir Erinnerungen wecken, der Amiga 500 mit seiner schönen Tastatur oder auch eben eine klassische Cherry, wie sie in meinen Early Days Standard war. Schnell stolperte ich natürlich über das allseits bekannte 9009 Retro Keycapset, welches es in verschiedenen Profilen zu kaufen gibt und verliebte mich. Irgendwann wollte ich es verbauen und unter meinen Fingern haben.
Mitte Mai schlug plötzlich mein Schlagwort-Alarm eines Kleinanzeigenportals an und informierte mich über ein neues Produkt mit dem Stichwort “KBDFans”. Eigentlich wartete ich auf andere KAT-Sets und hatte deshalb den Alarm aktiv, doch diesmal war es ein 9009 Retro mit SA-Profil, welches mich begrüßte. Ein FullSet, wie neu, DoubleShot PBT, ANSI zum Schnapperpreis und auch noch knappe 15km von meinem Wohnort entfernt. Ich konnte einfach (mal wieder) nicht Nein sagen und so hatte ich es wenige Tage später abgeholt und auf meinem Board verbaut. Ich war glücklich mit dem, was ich vor mir sah. Es fühlte sich gut an, der Sound war toll, das Tippgefühl wunderbar - ich habe mich jeden Tag darüber gefreut an meinen Platz zu gehen und auf meinem Keyboard zu tippen.

Ende gut, alles gut?

Manchmal sollte man zufrieden sein, mit dem was man hat. Aber was, wenn da noch mehr ist? Was, wenn man plötzlich merkt, dass das “Leben” viel besser und einfacher sein könnte?
Erinnert Ihr Euch noch an die beiden Teufelchen, die ich bereits erwähnte? Eines verhängnisvollen Tages im Juli, ich schrieb mit einem der beiden nichts ahnend, da fiel ein Wort. Ein Wort, dass den weiteren Verlauf dieser Geschichte entscheidend prägte und meine Beziehung zu und die Sicht auf Keyboards komplett auf den Kopf stellte - Ergonomie!

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